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Kapitel 3,Roman
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Kapitel 3, Part 4
Die Sonne stand oben am Himmel, Wolken wollten sich auch
keine blicken lassen und das satte Blau erstreckte sich über ihnen
wie ein nicht endend wollendes Meer. Das fröhliche Gezwitscher der
in der Nähe lebenden Vögel schallte sanft über die Mauer hinweg
und unterstrich das angenehme Wetter. An normalen Tagen wäre Karas
aufgestanden, hätte sich fertig gemacht und sein Morgengebet
gesprochen und wäre dann in den Hof marschiert um seinen täglichen
Aufgaben nachzugehen. Grundsätzlich waren die Ordensmitglieder in
verschiedene Arbeitsfelder aufgeteilt, um die sich gekümmert werden
musste, damit das Kloster fernab jeglicher Zivilisation
weiterbestehen konnte. Manche Mitglieder waren als Köche eingeteilt,
andere kümmerten sich um die Gewächse im Hof, es mussten die Räume
sauber gehalten werden oder Schriftrollen studiert werden. Karas war
normalerweise der Hüter über die gebrechlichen Gewürze, die in
einem kleinen Gewächshaus am Rande der Mauer gezüchtet wurden.
Keine Aufgabe die über Leben und Tod des Ordens entscheiden würde,
aber immerhin dem alltäglichen Essen die gewisse Würze verlieh.
Selbst Mönche brauchten irgendwo im nirgendwo eine gewisse Art von
Lebensqualität, selbst wenn sich diese nur sich auf das Mindestmaß
bezog. Er genoss es, dem langsamen Wachsen seiner liebgewonnen
Kräuter zuzusehen und diese Tag für Tag mit dem zu versorgen, was
sie brauchten. Heute allerdings führte sein Weg nicht zu dem
Gewächshaus an der Mauer, sondern erstmals weit darüber hinaus.
Karas stieg, seinen Lehrer am Arm eingehakt, die Treppen des Klosters
hinunter in den Hof. Mit der freien Hand schützte er sich vor der
Sonne, die ihn mit grellen Strahlen begrüßte.
Nicht zum ersten Mal fühlte er sich ohne seine schwere
Kutte ziemlich nackt und begutachtete regelmäßig mit einem
kritischen Blick, ob er auch wirklich etwas an hatte. Seine
Reisemontur schmiegte sich wie eine zweite Haut an seinem Körper und
war trotz all seiner Vorurteile überraschend bequem. Es existierten
keine langen Ärmel die sich im Weg befanden oder Stoffenden, die am
Boden entlang streiften. Ja, um ehrlich zu sein, fand er es sogar
sehr bequem.
Nachdem sich seine Sicht ein wenig geklärt hatte und
sich die Augen an den Wechsel von trüb zu hell gewöhnt hatten,
entdeckte er seine Brüder, die oben auf den Erhöhungen rund um den
Hof standen und bewegungslos auf ihn warteten. Die Mönche waren von
Natur aus eher ruhigerer Art und manche hatten sich sogar selbst ein
Schweigegelübde auferlegt um den Lehren effektiver dienen zu können,
aber die Ruhe innerhalb des Klosters hatte in den letzten Tagen ein
wahrlich erdrückendes Gefühl erschaffen. Die Anspannung an jeder
Ecke war beinahe zu fühlen gewesen und jeder wartete auf den großen
Tag, an dem erstmals ein Mitglied des Ordens das Tor durchschritt und
die unbekannten Weiten des Landes bereiste.
Nachdem sie die letzten Treppenstufe überwunden hatten,
löste sich der Alte von seinem Arm und trat respektvoll einen
Schritt zur Seite, damit sich Karas ein letztes Mal unbedrängt
umsehen konnte. Die letzten Momente innerhalb seines einzigen zu
Hauses, welches er jemals hatte. Wo auch immer er vor seiner Ankunft
hier gelebt hatte, wusste er nicht und er konnte sich daran auch
nicht erinnern. Ihm war es auch schlicht und ergreifend egal, wo er
sich in den Anfangsjahren seines Lebens befunden hatte. Hier
war seine Heimat und hier lebten die Menschen, die er
schnellstens wiedersehen wollte, denen er es schuldig war, seine
Aufgabe erfolgreich abzuschließen.
„Brüder“, rief der Mentor, nachdem er Karas den
kurzen Augenblick gegeben hatte, „heute ist der Tag gekommen. Der
Tag, an dem wir einen von Unseren zurück zu den Zweiflern schicken.
Der Tag, an dem unser Entsandter den gottlos gewordenen Völkern
wieder den Glauben zurück in die Städte bringt. Es wird Zeit, dass
die Götter und vor allem Schabanach, der mächtigste unter Ihnen,
wieder Gehör finden. Ich habe dunkle Zeiten gesehen und wir alle
sollten dafür beten, dass ich mich geirrt habe. Sollte uns die
Dunkelheit allerdings heimsuchen, kann uns nur ein geeinter und
starker Glaube vor dem Untergang bewahren!“
Ein
ausgeglichener Verstand führt zu einem ausgeglichenen Herzen.
SCHABANACH OCHALACH SCHABANACH.
Seine Brüder rund um ihn herum sprachen die Sätze
gleichzeitig, wie es eine einzige Person nicht besser gekonnt hätte.
Danach gingen sie alle in die Hocke, senkten die Knie bis diese den
Boden berührten, die Beine nach hinten, die Enden der langen Roben
um sie herum.
„Möge Schabanach über dich wachen, Bruder. Wir alle
werden für deine Sicherheit beten und dir möglichst viel Kraft
schenken, damit du den heiligen Weg niemals verlässt“, verkündete
der Mentor feierlich und umarmte danach den Entsandten herzlich.
„Glaube an dich und du kannst alles schaffen, mein
Sohn. Komm heil zu uns zurück“, flüsterte er Karas ins Ohr ehe
zurücktrat und sich ebenfalls mit den Knien voran auf den Boden
sinken ließ.
Nun
ist es also so weit. Meine Reise beginnt hier und jetzt.
„Das
werde ich, Pater. Passt alle auf euch auf und erwartet auf meine
Rückkehr, denn diese wird kommen. Ich schwöre, dass ich mit Erfolg
im Gepäck bald wieder hier anklopfen werde.“
Er packte die Riemen seines Lederrucksacks, zog sich die
Kapuze seiner neuen Reisemontur über den Kopf und drehte sich
Richtung Tor um. Bestimmt stapfte er über den weichen Erdbodens des
Hofs und öffnete die kleine Tür, die im weitaus größeren Tor
eingelassen war. Das Holz schwang quietschend auf, der Blick in die
Welt außerhalb des Klosters eröffnete ihm sich. Karas widerstand
dem Zwang, sich ein letztes Mal umzudrehen und verließ als heiliger
Gesandter des Ordens seine Heimat. Die unbekannte Welt, die sich vor
ihm erstreckte, schien ihn mit offenen Armen zu begrüßen zu
wollen. Sein Abenteuer begann.
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